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#TZExpertise

„Die Öffentliche Beschaffung ist ein idealer Hebel für Innovationen“

Über die Schlüsselposition der Öffentlichen Beschaffung für die Förderung von Innovationen sprach #TZExpertise mit Laura Nientiet, Technologieberaterin im VDI Technologiezentrum und Projektleiterin des Unterauftrags für das Kompetenzzentrum Innovative Beschaffung (KOINNO).

Was versteht man unter „Öffentlicher Beschaffung“ und warum ist es so ein wichtiges Thema?

Unter den Begriff „Öffentliche Beschaffung“ fallen alle Aufträge, die der öffentliche Sektor, also Bundes-, Landes- und kommunale Behörden an privatwirtschaftliche Unternehmen vergibt. Dazu zählt beispielsweise der Einkauf von Liefer-, Bau- und Dienstleistungen. Da hierbei Steuergelder eingesetzt werden, gelten im Vergleich zur Privatwirtschaft natürlich deutlich strengere und umfangreichere Regeln, die im so genannten Vergaberecht festgehalten sind.

Es geht dabei um viel Geld: Jährlich werden im Rahmen der Öffentlichen Beschaffung Aufträge im Wert von 500 Milliarden Euro vergeben. Die Öffentliche Beschaffung ist damit ein idealer Hebel für Innovationen: Würden nur ein Prozent des Beschaffungsvolumens statt in konventionelle in innovative Güter fließen, dann würde das die Nachfrage nach Innovationen um fünf Milliarden Euro erhöhen.

Wenn innovative Produkte und Leistungen verstärkt von der öffentlichen Hand nachgefragt werden, ermutigt dies mehr Unternehmen zu Investitionen in diesem Bereich. Zudem könnten gerade junge Unternehmen wertvolle Referenzen sammeln, die für den mittel- und langfristigen Erfolg ihrer Produkte und Dienstleistungen entscheidend sein können.

Angesichts dieser Potenziale sollte alles dafür getan werden, dass dieses einflussreiche innovationspolitische Instrument noch stärker seine Wirkung entfalten kann.

Was sind die größten Herausforderungen in diesem Bereich aus Sicht der öffentlichen Auftraggeber?

Auch Öffentliche Auftraggeber sind sich zunehmend der Bedeutung innovativer Beschaffung bewusst und würden die Instrumente gerne intensiver nutzen. Meist stehen sie dabei aber vor zwei wesentlichen Herausforderungen:

Zum einen kennen sie oftmals nicht die Bandbreite an Instrumenten der innovativen Beschaffung und Vergabe bzw. es fehlt ihnen an Informationen oder Erfahrung. Zwei wichtige Instrumente sind die Markterkundung und die funktionale Leistungsbeschreibung. Hier gilt es besonders mit Informationsmaterial und Schulungen anzusetzen.

Zum anderen fehlt ihnen oftmals die Unterstützung von Verantwortlichen und Partnern innerhalb ihrer Organisation. In einer 2020 vom VDI TZ für das Bundeswirtschaftsministerium durchgeführten Umfrage unter öffentlichen Auftraggebern und Anbietern innovativer Leistungen bestätigten Auftraggeber diese Herausforderungen. Außerdem stuften sie unzureichende personelle Ressourcen als große Hindernisse ein.

Und wie sieht es bei den potenziellen Auftragnehmern aus?

Bei ihnen ist es häufig die hohe Komplexität und eher geringe Transparenz der zu beachtenden Verfahren, die – insbesondere auf kleinere Unternehmen ohne interne Expertise – abschreckend wirkt.

Hinzu kommt, dass viele öffentliche Auftraggeber häufig davor zurückschrecken, junge Unternehmen oder Start-ups zu beauftragen, da diese meist noch keine erfolgreichen Referenzprojekte vorweisen können. Um sich hier zusätzlich abzusichern, stellen viele Auftraggeber hohe Anforderungen, etwa bei der Mindestanzahl der Mitarbeitenden, Umsätzen oder Referenzen. Viele für die Leistung eigentlich geeignete junge und innovative Unternehmen werden dadurch von einer Ausschreibung ausgeschlossen. Ein weiterer Aspekt ist die Dauer des Beschaffungsprozesses. Zwischen Ausschreibung, Zuschlag und Umsatz vergeht oftmals ein langer Zeitraum, der gerade kleine Unternehmen vor finanzielle und personelle Herausforderungen stellt.

Viele Probleme können durch eine vorgeschaltete Markterkundung, funktionale Leistungsbeschreibungen und das Zulassen von Nebengeboten vermeiden werden. Diese Instrumente ermöglichen innovative Lösungen und erleichtern Beschaffern und Anbietern, sich aufeinander einzulassen.

Wie ist das VDI TZ in diesem Umfeld aktiv, um diese Hindernisse zu überwinden?

Zur Behebung dieser Hindernisse wurde 2013 das Kompetenzzentrum innovative öffentliche Beschaffung (KOINNO) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klima (BMWK) gegründet, das wir als VDI TZ im Unterauftrag für den Bundesverband Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME) mitgestalten.

Erklärtes Ziel des Kompetenzzentrums ist es, die Förderung von Innovationen im öffentlichen Beschaffungswesen in Deutschland dauerhaft zu stärken und den Anteil der Beschaffung von Innovationen am Gesamtvolumen des öffentlichen Einkaufs in Deutschland zu erhöhen.

Hierzu bietet das Zentrum kostenfreie Services wie Beratung, Veranstaltungen, Informationsmaterial und Weiterbildungen. Zielgruppe waren dabei anfangs vor allem Auftraggeber der öffentlichen Hand

Ergänzend dazu konzentrieren wir uns in unserem Unterauftrag auf potenzielle Anbieter, also innovative KMU und Start-ups. Mit Angeboten wie Roadshows und digitalen Veranstaltungen informieren wir sie über die Potenziale öffentlicher Aufträge, bieten Hilfestellung für die Teilnahme an Ausschreibungen und bringen die Anbieter mit potenziellen öffentlichen Auftraggebern zusammen.

Zum Abschluss: Haben Sie einen Ratschlag für Unternehmen, die im Bereich der öffentlichen Beschaffung aktiv werden möchten?

Unternehmen, die ihre Leistungen dem öffentlichen Sektor anbieten wollen, sollten sich vorab mit dem Kunden auseinandersetzen. Dazu zählt zunächst die Recherche von geeigneten Ansprechpartner*innen auf Kundenseite. Hilfreich ist es außerdem, sich in den möglichen Auftraggeber hineinzuversetzen, um den konkreten Bedarf oder die Herausforderung besser zu erfassen.

Eine schöne Möglichkeit, den sprichwörtlichen „Fuß in die Tür“ des öffentlichen Sektors zu bekommen, ist die Teilnahme an Wettbewerben oder Challenges, um so durch Pilotprojekte von den eigenen Leistungen zu überzeugen.

Info und weiterführende Links

Über die Interviewpartnerin

Laura Nientiet ist Technologieberaterin beim VDI Technologiezentrum (VDI TZ) und verantwortet die Aktivitäten des VDI TZ für das Kompetenzzentrum Innovative Beschaffung (KOINNO). KOINNO informiert und berät im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klima (BMWK) öffentliche Beschaffer und deren Anbieter.

Über #TZExpertise

Im Interview-Format #TZExpertise geben Expert*innen aus dem VDI Technologiezentrum regelmäßig exklusive Einblicke in ihre jeweiligen Fachbereiche sowie relevante Fragestellungen.

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