Direkt zum Inhalt

VDI Research

Kühlen gegen das Klima

Eine neues Paper von VDI Research zeigt das Dilemma von Klimaanlagen auf, die einerseits angesichts steigender Temperaturen immer weiter Verbreitung ...

Publikation herunterladen

Der Sommer 2021 galt als der wärmste je in Europa gemessene Sommer. Im Jahr 2022 wurde dieser Rekord erneut gebrochen und auch in Deutschland kam es zu Hitzewellen mit Temperaturen von über 40 Grad Celsius.1 Regionen wie Indien oder Pakistan verzeichneten im Jahr 2022 Hitzewellen mit Temperaturen von über 50 Grad Celsius. Forschende rechnen damit, dass der Klimawandel die Hitzeintensität weiter ansteigen lässt und die Wahrscheinlichkeit solcher Hitzewellen künftig bis zu einhundertmal höher werden lässt.2 Kein Wunder, dass sich immer mehr Menschen eine Klimaanlage zulegen, doch damit steigt auch der Stromverbrauch und mit den Schadstoffemissionen die Belastung für das Klima. Im Idealfall wird der benötigte Strom zwar durch erneuerbare Energien abgedeckt, aber das ist vor allem in den von Hitze am schlimmsten betroffenen Regionen der Welt häufig nicht der Fall, wo „schmutziger Strom“ noch günstig und preisgünstige Klimaanlagen wenig energieeffizient sind. Selbst in Ländern mit nennenswertem Anteil regenerativer Energien könnten diese eher für andere Zwecke als für Klimaanlagen eingesetzt werden. Es scheint, dass der weltweite Einsatz von Klimaanlagen den Klimawandel nachhaltig beschleunigt, doch moderne Materialien, neuartige Ansätze zur Dämmung und die Renaissance jahrhundertealter Prinzipien zur Kühlung von Gebäuden geben Anlass zur Hoffnung.

Weltweit sind rund zwei Milliarden Klimaanlagen im Einsatz. Bis 2030 wird der Markt für Klimaanlagen jährlich um knapp sechs Prozent steigen und bis 2050 geht man von fast sieben Milliarden weltweit installierten Geräten aus.

Seit 1990 hat sich der Strombedarf für Klimatisierung mehr als verdreifacht.

Etwa 10 Prozent des gesamten auf der Welt produzierten Stroms wird gegenwärtig für Klimaanlagen benötigt.

Der Anteil der Lastspitze (Grafik 5) bezieht sich auf den Stromverbrauch der Klimaanlagen in dem Moment im Jahr, in dem generell der höchste Stromverbrauch passiert.

Quelle: https://iea.blob.core.windows.net/assets/0bb45525-277f-4c9c-8d0c-9c0cb5e7d525/The_Future_of_Cooling.pdf

 

Bis zum Jahr 2050 wird der Anteil am Wachstum der weltweiten Haushaltsstromnachfrage für die Raumkühlung bei 37 Prozent liegen.

Für Länder wie Indien und Indonesien wird im ungünstigsten Fall erwartet, dass 2050 an heißen Tagen zeitweise über 40 Prozent der gesamten Stromproduktion des Landes für die Klimatisierung aufgewendet werden müssen.

Klimaanlagen sind derzeit für ca. ein Prozent der Treibhausgasemissionen in Deutschland verantwortlich. Zum Vergleich: Der Luftverkehr hat an den CO2-Emissionen in Deutschland einen Anteil von ca. 0,3 Prozent.

Erwartet man bis zum Jahr 2100 eine Erderwärmung von drei Grad Celsius, würden davon 0,5 Grad Celsius allein durch Klimaanlagen verursacht.

Der Teufelskreis aus Erderwärmung und zunehmendem Bedarf an klimaschädlichen Kälteanlagen scheint nicht zu durchbrechen sein, doch weltweit arbeiten Forschung, Politik und Wirtschaft an Lösungen:

  • Im Jahr 2017 hat die Europäische Union beschlossen3, das Energielabel für Elektrogeräte grundlegend zu reformieren und deutlich strengere Vorgaben für Hersteller zu machen. Seit März 2021 gilt nun für die ersten Geräteklassen ein neues Energielabel, das sukzessive für weitere Produktgruppen eingeführt wird. Voraussichtlich ab 2024 soll diese Neuregelung auch für Klimaanlagen und bis spätestens 2030 für alle Klassen von Elektrogeräten gelten. Parallel hierzu hat die EU-Kommission die Ökodesign-Verordnung für umweltfreundlichere und kreislauforientierte Produkte überarbeitet. Die Europäischen Union schätzt, dass das Maßnahmenpaket der neuen Öko-Design-Verordnungen bis 2030 in der EU Energieeinsparungen von 167 Terawattstunden jährlich erzielen wird. Dies entspricht etwa dem jährlichen Energieverbrauch von Dänemark.4 Das Thema Effizienz ist nicht nur für den europäischen Markt relevant. Auch andere Länder, zum Beispiel die USA, verschärfen fortlaufend die Kriterien für ihre jeweiligen Energielabels. Für die Zukunft bleibt zu hoffen, dass auch Länder und Regionen wie Indien, China oder Afrika diesen Bemühungen folgen werden.
  • Als Alternative zur elektrisch betriebenen Klimaanlage haben Forschende z. B. ein Material aus Zellulose-Nanokristallen entwickelt, das klassische thermische Isolierung mit einem aktiven Kühleffekt kombiniert. Das neuartige Material soll bis zu 96 Prozent des sichtbaren Lichtspektrums reflektieren und 92 Prozent als Infrarotstrahlung wieder abgeben.5 Untersuchungen ergaben, dass die Verwendung des Materials auf dem Dach und an den Außenwänden eines Gebäudes den Kühlenergiebedarf um bis zu 35,4 Prozent senken kann.
  • Seit 2018 wird jährlich der „Global Cooling Prize“ gemeinsam vom Rocky Mountain Institute (RMI), der indischen Regierung und der globalen Initiative „Mission Innovation“ ausgeschrieben. Die Initiative setzt sich unter anderem für die Entwicklung bahnbrechender innovativer Kühltechnologien ein, um die Klimabelastung aufgrund der ständig steigenden Klimatisierung von Wohngebäuden zu reduzieren. Ziel ist, die Entwicklung von Klimaanlagen zu beschleunigen, die in Verbindung mit klimafreundlicheren Kühlmitteln deutlich weniger Energie verbrauchen und die nicht mehr als das Doppelte einer normalen Klimaanlage kosten. Wenn eine solche Technologie schnell eingeführt würde, könnten nach Schätzungen des RMI bis zum Jahr 2050 bis zu 100 Gigatonnen CO2-Äquivalente vermieden werden. Im Jahr 2021 erhielt der chinesische Klimaanlagenhersteller Gree für seine „Zero Carbon Source“-Kühltechnik den Global Cooling Prize. Die entwickelte Technologie reduziert die Kohlenstoffemissionen bestehender Klimaanlagen um 80 Prozent. Weitere Systeme der Finalisten konnten nachweisen, dass sie über 90 Prozent weniger klimaschädlich sind als bestehende Raumkühlsysteme.6 Die Herausforderung besteht nun darin, diese Systeme für die Massenproduktion tauglich zu machen.
  • In Ländern des Nahen Ostens sind dauerhafte Temperaturen von über 40 Grad Celsius keine Seltenheit. Schon um 1.000 vor Christus waren dort die ersten Windtürme, die sogenannten Badgire, in den Städten weit verbreitet und auch heute noch sind diese speziellen Bauten z. B. auf den Hausdächern der Stadt Yazd im Iran zu finden. Bauart- und standortbedingt herrscht in diesen Türmen ein permanenter Durchzug. Winde werden in das Gebäude und dort in die kühleren Keller oder zu unterirdischen Wasserläufen geleitet, wo die Verdunstungskälte die Luft herabkühlt. Aus dem Keller gelangt kühlere Luft wieder zurück in die Wohnräume. Diese antiken Windtürme der arabischen Welt werden nun auch von der westlichen Bauwirtschaft entdeckt.7 So ist das Stuttgarter Theaterhaus mit einer vergleichbaren natürlichen Kühltechnik ausgestattet. In der ehemaligen Industriehalle sorgt ein hoher, schornsteinähnlicher Kamin für einen Luftsog, der kühlere Luft aus unter dem Haus befindlichen Erdkanälen nach oben zieht: ein passives Lüftungssystem, das ohne elektrischen Antrieb und ohne Stromverbrauch kühle Luft zirkulieren lässt.

Ihre Ansprechpersonen

VDI Research

Prof. Dr. Dr. Axel Zweck
Thomas Werner
Oliver S. Kaiser
E-Mail: werner@vdi.de

Quellen und weiterführende Links

1 https://climate.copernicus.eu/copernicus-summer-2022-europes-hottest-record

2 https://www.metoffice.gov.uk/about-us/press-office/news/weather-and-climate/2022/southern-asian-heatwave-attribution-study-2022

3 Rahmenverordnung EU/2017/1369

4 https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/qanda_19_5889

5 Zechang Wei, Chunxiang Ding, Bianjing Sun, Wenbo Chen, Christoph Gerhard, Evgeny Nimerovsky, Yu Fu, and Kai Zhang: Dynamically Tunable All-Weather Daytime Cellulose Aerogel Radiative Supercooler for Energy-Saving Building, Nano Lett. 2022, 22, 10, 4106-4114

6 Der Spiegel Nr. 9/7.2.2021

7 Roshanak Khalaj: Use and re-use of wind catchers as a natural ventilation and cooling system for residential buildings/
Nutzung und Neunutzung von Windtürmen und Windfängern als natürliche Ventilations- und Kühlungssysteme für
Wohnbauten, Wien 2018

 

VDI Research

Kühlen gegen das Klima

Eine neues Paper von VDI Research zeigt das Dilemma von Klimaanlagen auf, die einerseits angesichts steigender Temperaturen immer weiter Verbreitung finden und gleichzeitig aktiv einen Beitrag zu Klimawandel und Erderwärmung leisten. 

Publikation teilen

Weitere Publikationen