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Innovation Update

Elektronische Patientenakte – Wundermittel oder Placebo?

In unserem aktuellen Innovation Update werfen wir den Blick auf einen entscheidenden Aspekt der Digitalisierung im Gesundheitswesen: die elektronische ...

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Vorwort

Liebe Leserin, lieber Leser,

nichts ist in unserem Alltag aktuell präsenter als Corona. Wir haben uns gefragt, ob Digitalisierung uns dabei helfen würde, der Pandemie wirksamer zu begegnen, indem etwa belastbare Prognosen ermöglicht werden. Wir sind davon überzeugt, dass das zielgerichtete Zusammenführen von Daten und deren Aufarbeitung unsere Gesundheitsversorgung entscheidend verbessern kann. So würde bspw. eine individuell auf den Patienten zugeschnittene medizinische Versorgung ermöglicht.

Eine umfangreiche Basis an Forschungsdaten kann helfen, sehr viel schneller auf unvorhergesehene Ereignisse zu reagieren. Dazu sind noch viele Schritte notwendig. Deutschland muss bei der Digitalisierung aufholen. Es gilt Rahmenbedingungen zu schaffen und den Nutzen deutlich zu vermitteln.

Das VDI TZ unterstützt die Bundesregierung dabei, die Digitalisierung in entscheidenden Bereichen voranzubringen.  Durch die Nähe zur Industrie und der Forschung bekommen wir wertvolle Einblicke aus erster Hand, wo Rahmenbedingungen angepasst oder Hürden abgebaut werden sollten.

In unserem aktuellen Innovation Update werfen wir den Blick auf einen entscheidenden Aspekt der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Wir stellen folgende Fragen: Was braucht die Forschung? Was bietet die Industrie? Und wie unterstützt der Gesetzgeber? 

Viel Vergnügen beim Lesen wünscht 

Sascha Hermann 

 

Elektronische Patientenakte – Wundermittel oder Placebo

Die Corona-Pandemie zeigt uns einmal mehr, dass wir im Gesundheitswesen dringend digitale Werkzeuge benötigen, um belastbare Prognosen und wirksame Maßnahmen im Kontext der Gesundheitsversorgung zu erarbeiten. Diese Werkzeuge sollen uns helfen, im Vorfeld Tendenzen zu erkennen, damit wir zukünftig rechtzeitig und wirkungsvoll reagieren können. Einen wichtigen Beitrag leistet die Forschung. Dazu benötigt sie eine Vielzahl von Daten: medizinische Daten, Laborwerte, Therapieinformationen, Register, vom Patienten generierte Daten wie Tagebücher, Fitnessdaten usw., aber auch Daten von medizinischen Geräten und Sensoren.

Dies ergibt ein digitales Abbild des Menschen – der digitale Zwilling – welcher ein wirksames Werkzeug für die genannten Herausforderungen und Bedürfnisse sein kann. Können diese Daten alle aus der elektronischen Patientenakte (ePA), die in diesem Jahr allen Patienten zur Verfügung stehen soll, generiert werden? Schon jetzt wird eine Vielzahl von Daten außerhalb der elektronischen Patientenakte erfasst und gespeichert.

Die Forschung sucht Wege, um an dringend benötigte Daten zu kommen. Ein Beispiel ist die SafeVac 2.0 App des Paul-Ehrlich-Instituts, wo der Patient rückmelden kann, wie er den Impfstoff vertragen hat und ob es Nebenwirkungen gab. Das leistet die ePA nicht. Die ePA ist noch zu eingeschränkt, um ein wirksames Werkzeug zu sein.

Im Gesundheitswesen geht der Trend zur personalisierten Medizin. Um dem Patienten bestmögliche Versorgung zu ermöglichen, ist ein vollständiges Bild mit Unterstützung durch die Digitalisierung unerlässlich. Was ist ein digitaler Zwilling, wenn ihm Arme und Beine fehlen? Für ein digitales Abbild sind die strukturierten Daten von Geräten, Sensoren und letztendlich auch Daten, die der Patient persönlich erfasst hat, wichtig.

Was ist mit den Informationen wie wir uns fühlen und was wir spüren? Objektive Daten müssen durch subjektive ergänzt werden. So wird der Zwilling realitätsnaher, das Modell vollständiger. Es müssen Schnittstellen zu den vorhandenen Datentöpfen geschaffen werden, Datenaustausch muss ermöglicht werden. Und es muss möglich sein, die gewonnenen Daten für Forschungszwecke zu nutzen. 

Es ist an der Zeit, politische Leitplanken zu schaffen, die befördern und nicht einschränken, die zukunftsfähig und zukunftssicher sind. Diese Leitplanken geben nicht nur der Forschung ein Werkzeug, sondern auch der Industrie die notwendige Investitionssicherheit. Andere Länder machen es uns vor und haben bereits eine sehr umfassende Datenbasis geschaffen. Deutschland muss Schritt halten. Ansonsten wird der digitale Zwilling an anderer Stelle erzeugt: mit unseren Daten – mit den Daten der Versicherten und Patient*innen.

Wir haben jetzt die Möglichkeit, das Spannungsfeld zwischen politisch Gewollten, technisch Machbarem und für die Forschung Notwendigem und Wünschenswertem aufzulösen: Kontinuierlich die Digitalisierung in allen Bereichen des Gesundheitswesens einführen, Standards und Schnittstellen einsetzen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und individualisierte Medizin zu fördern.

Hinkt das Gesundheitswesen der Digitalisierung in der Industrie hinterher?

Fragen an Dr. Daniel Senff aus der Plattform Industrie 4.0, Leiter Digitalisierung und Mobilität im VDI Technologiezentrum.

 

Industrie 4.0 bezeichnet die unternehmensübergreifende digitale Vernetzung von Produktions- und Wertschöpfungsprozessen. Digitale Technologien sollen dazu beitragen, die industrielle Fertigung noch effizienter und somit wettbewerbsfähiger zu gestalten

Die Plattform Industrie 4.0 bringt als zentrale Akteurin die wesentlichen Expertinnen und Experten aus Unternehmen, Politik, Wissenschaft und Gesellschaft zusammen und ermöglicht den Dialog darüber, wie die Vision einer vollständig digitalisierten und vernetzten Industrie aussehen könnte. Dieser vorwettbewerbliche Dialog ist aber sehr anspruchsvoll und liefert oft nicht unmittelbar sichtbare Ergebnisse.

Den Dialog jedoch deshalb nicht zu führen, wäre keine Option, da viele Unternehmen mit Firmen aus den USA, Asien oder auch Europa im Wettbewerb stehen und daher den Anschluss nicht verlieren dürfen – gerade die vielen KMUs. Dass die Bundesregierung folglich gute Rahmenbedingungen schafft und diesen Dialograum bereitstellt, ist in unser aller Interesse. Ein solcher Dialograum fehlt uns noch im Gesundheitswesen

Wichtig ist es, für Unternehmen sowie Akteurinnen und Akteure Anreize zu schaffen. Wie erwähnt, die Digitalisierung kostet erst einmal Ressourcen, die sich oft nicht unmittelbar im Unternehmensergebnis abbilden. Hier braucht es mehr Bewusstsein dafür, dass Ressourcen, die für die Digitalisierung eingesetzt werden, eine Investition sind, die sich oft erst mittelbis langfristig auszahlt, zunächst aber erst einmal Zeit, Geld und Engagement erfordert.

Und statt Sanktionen braucht es dann eher Anreize und Förderprogramme, um die Digitalisierung voranzutreiben. Das dürfte im Gesundheitswesen ähnlich gelten wie in der produzierenden Industrie.

Wir merken, dass wir durch digitale Prozesse immer mehr Daten generieren und damit ein Potenzial, das bisher nur wenig genutzt wird. Die kluge Verknüpfung dieser Daten, die passgenaue Analyse, die Bereitstellung der Daten zur rechten Zeit am rechten Ort in der rechten Beschaffenheit bietet ein enormes Potenzial für datengetriebene Geschäftsmodelle, das wir ausschöpfen und nicht anderen überlassen sollten.

Damit einher gehen aber natürlich u. a. Fragen nach Vertrauenswürdigkeit und Anonymisierung, sicherer Kommunikation und Rechtssicherheit, z. B. in Haftungsfragen. Diese Herausforderungen stellen sich wohl nicht nur in der industriellen Fertigung, sondern auch in ganz anderen Bereichen wie der Gesundheitswirtschaft, wo ja auch mit vielen, teils sehr persönlichen Daten umgegangen wird.

Die Digitalisierung wird noch immer sehr kritisch beäugt. Und es stimmt: Es gibt Fragen, die offen sind oder sich neu stellen. Aber dennoch wissen wir spätestens seit Corona, dass die Digitalisierung auch gewaltige Chancen bietet. Sie ist ein globaler Prozess und wir werden uns ihr nicht verschließen können.

Daher fände ich es gut, wenn wir uns ihr offen stellen und versuchen, sie wo immer möglich aktiv mitzugestalten. Wenn wir diese Herausforderung nicht annehmen, laufen wir umgekehrt Gefahr, einen Teil unserer Souveränität und Innovationskraft aufzugeben.

Innovation Update

Elektronische Patientenakte – Wundermittel oder Placebo?

In unserem aktuellen Innovation Update werfen wir den Blick auf einen entscheidenden Aspekt der Digitalisierung im Gesundheitswesen: die elektronische Patientenakte.

Was braucht die Forschung? Was bietet die Industrie? Und wie unterstützt die Gesetzgebung?

Die Corona-Pandemie zeigt uns einmal mehr, dass wir im Gesundheitswesen dringend digitale Werkzeuge benötigen, um belastbare Prognosen und wirksame Maßnahmen im Kontext der Gesundheitsversorgung zu erarbeiten. Denn der Trend im Gesundheitswesen geht zur personalisierten Medizin. Um Patientinnen und Patienten bestmögliche Versorgung zu ermöglichen, ist ein vollständiges Bild mit Unterstützung durch die Digitalisierung unerlässlich.

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